Beim We4Future-Camp wollen wir achtsam und bewusst miteinander sein. Wir wünschen uns einen möglichst diskriminierungsfreien Ort, an dem wir gemeinsam auf das Wohlbefinden aller achten.
Awareness ist ein Prozess, ein Lernen, ein Hinterfragen, ein Hineinspüren in deine Grenzen, in die Grenzen anderer und in deine Privilegien.
Es gibt auf dem Camp eine Awareness-Zelt, einen geschützen Raum, in dem sich Menschen zuhören und sich in emotional belastenden Situation unterstützen können.
Wir laden ein, euch gegenseitig zu unterstützen und selbst zu organisieren. Wenn ihr dabei nicht weiterkommt, kommt zu uns. Wir sind im Zelt oder unter der Awarenessnummer zu erreichen.
Wir wollen uns anschließen an Gedanken der Awareness-Gruppe vom Klimacamp im Rheinland und teilen hier Auszüge aus deren Text:
Es gibt viele Menschen, die aus verschiedensten Gründen nicht am Klimacamp teilnehmen. (…) Weiß-Sein2, cis-Gender3 sowie Heteronormativität4 werden das Camp stark prägen, Wissenshierarchien5 bestehen, und äußerliche und sprachliche Szene-Codes wirken einschüchternd.
Es kann vorkommen, dass Menschen Workshops verlassen, weil Sprache und/oder dominantes Redeverhalten die Teilnahme für sie unmöglich macht oder ihnen Alltagsrassismen, -sexismen, etc. begegnen. Durch Awareness/Achtsamkeit wollen wir gemeinsam diskriminierungsfreie(re) Räume gestalten.Dein Beitrag
Deswegen möchten wir dich einladen, hier und jetzt, auf diesem Camp, dazu beizutragen, ein Klima zu schaffen, in dem sich alle Menschen möglichst wohl fühlen können und wir…
- diskriminierendes Verhalten thematisieren können
- frei an unseren Identitäten basteln können
- wir uns trauen nachzufragen, wenn wir etwas nicht verstanden haben
- Fachwörter und Szene-Codes erklärt werden, um alle in Gespräche einzubeziehen
- darauf achten, wer wie viel spricht, wer nicht und warum nicht
- ob alle in ihren*_seinen* Bedürfnissen gesehen werden
- uns trauen können zu „sein“
- selbstverantwortlich mit unseren Grenzen und den Grenzen anderer umgehen
- beginnen, unsere Privilegien zu reflektieren und einen sensibilisierten Umgang zu üben.
Sei Teil einer Kultur der „Fehler“freundlichkeit, denn jede*r handelt von Zeit zu Zeit (un)beabsichtigt diskriminierend.
Unsere Erfahrungen sind Basis für unsere Sicht auf Situationen, Personen und Dinge. Für andere Perspektiven offen zu sein erfordert oftmals Mut. Wenn du auf deine Privilegien6 aufmerksam gemacht wirst, mögen wir dich einladen, diesem Hinweis offen zu begegnen und der Person, die möglicherweise dein Verhalten als grenzüberschreitend oder diskriminierend erlebt hat, Raum, Verständnis und Wertschätzung entgegen zu bringen. Sei dir bewusst, dass nicht du, sondern dein situationsabhängiges Verhalten Ursache für die Reaktion sind.
Durch den Austausch darüber wirst du eingeladen, bei dir zu schauen, warum du in der Situation so gehandelt hast, wie es war und was du beim nächsten Mal tun könntest, um deine Bedürfnisse und die der anderen Person zu erfüllen. Dieser Schritt ist oft nicht leicht, kann dir und der anderen Person jedoch helfen, einen erfüllteren Umgang miteinander zu erleben und ein schöneres Camp für alle mitzugestalten.
Wenn ihr Unterstützung bei einem solchen Gespräch braucht, sprecht gerne Menschen aus eurer Umgebung und/oder der Awareness-Gruppe an.
Un_Wissen
Jede*r von uns hat einen ganz persönlichen Un_Wissensstand. Dieser ist stark durch gesellschaftliche Strukturen geprägt. Daher kann es dein Privileg sein, wenn du bisher nicht mit einem bestimmten Thema konfrontiert wurdest, oder Zeit hattest, dich in ein anderes in Tiefe einzuarbeiten.
Wir möchten dich einladen, dein Un_wissen und dass der anderen respektvoll zu behandeln und in einen produktiven Austausch zu treten. Versuch beim Teilen deines Un_Wissens Fachbegriffe oder Szene-Begriffe zu erklären oder zu erfragen, um Sprachbarrieren abzubauen. Holt Dritte dazu, wenn ihr alleine nicht weiterkommt!
Vielleicht magst du dich an deine Erfahrungen und Gedanken erinnern, als ein Thema frisch in deinem Leben aufgetaucht ist. Sei in Gesprächsgruppen behutsam mit der Annahme von Selbstverständlichkeiten! Beteiligte, die bestimmte Namen, Begriffe oder Witze nicht kennen, können sich schnell als ausgeschlossen erleben.
Umgang mit Privilegien
Die Herausforderung einer*s jeden von uns ist es, dass wir in Gesellschaften aufgewachsen sind, in denen Ausgrenzungen und Unterdrückungen alltäglich sind. Privilegien, diskriminierendes Verhalten und Grenzüberschreitungen betreffen das Camp genauso wie unseren Alltag. Für Betroffene sind die Erfahrungen schmerzhaft und erzeugen häufig ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit, unabhängig davon, ob auslösendes Verhalten bewusst oder unbewusst stattfindet.
Auf Seiten der privilegierten Person können Verhaltensweisen und Aussagen so normalisiert sein, dass sie nicht als Diskriminierung und Grenzüberschreitung wahrgenommen werden. Das eigene Erkennen von Privilegien ist unumgänglich, um gemeinsam auf dem Weg in eine solidarische, emanzipatorische Welt weiterzugehen – frei von Herrschaft und Diskriminierung.
Diese Fragen im Hinterkopf helfen dir vielleicht weiter über das Thema nachzudenken:
- Welche gesellschaftlichen Strukturen begünstigen Hierarchien1 und Diskriminierungen2?
- Wo stehe ich selbst in diesem Geflecht aus Hierarchien, Diskriminierungen und Privilegien3?
- Welche (gesellschaftlichen) Veränderungen können diese verändern bzw. beenden? Und was gibt Betroffenen Kraft und Selbstbestimmung (zurück)?
(…)
Jede*r kann nur für sich selbst entscheiden, wann sie*_er* eine Grenzüberschreitung erlebt hat, wie sich diese anfühlt und wie sie*_er* dabei unterstützt werden möchte, sich wieder ihrer/seiner selbst zu ermächtigen. Wir wollen Betroffenen von Diskriminierung und Gewalt Unterstützung anbieten, damit sie sich (wieder) [frei entfalten können] und auf dem Camp wohlfühlen.
(…)
Begriffserklärung:
1 Diskriminierung – Situation in der ein Mensch oder eine Gruppe von einem anderen Menschen, einer Gruppe oder einer Institution aufgrund von zufälligen Merkmalen und Kategorien in Bezug auf z.B. ihre Äußerlichkeiten, Fähigkeiten oder Gruppenzugehörigkeit benachteiligt wird (z.B. ausgegrenzt und beleidigt).
2 Weiß-Sein – „weiße“ Personen (= europäisch, US-amerikanisch, gesellschaftlich akzeptiert, gebildet, staatsbürgerlich) genießen in der Gesellschaft viele nicht hinterfragte Privilegien
3 CIS* / cis* – Die Vorsilbe „cis“ verweist auf die Übereinstimmung der eigenen Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht. Cis wird genutzt, um Menschen zu benennen die sich nicht als trans*, inter* und/oder nicht-binär verorten. Diese Benennung will vermeiden, dass bestimmte Personengruppen als „das Normale“ gelten und alle anderen als „die Abweichung“. Zudem wird die gesellschaftliche Konstruktion jedweder Geschlechtsidentität, bei der keine „natürlicher“ ist als die andere, unterstrichen.
4 Heteronormativität – nimmt an, dass eine sexuelle Verbindung zwischen einer männlichen und einer weiblichen Person das Normale wäre. Dahinter steht die Vorstellung, dass es zwei Geschlechter – ein binäres Geschlechtersystem – gibt und diese sich gegenpolig verbinden.
5 Hierarchie – Strukturen oder Situationen in denen ein Mensch oder eine Institution sich aufgrund von Stärke, gesellschaftlicher Stellung, Wissensvorsprung oder ähnlichem über andere stellt bzw. über diese bestimmt.
6 Privilegien – Dinge die ich meist als selbstverständlich erlebe und nur deshalb habe, weil ich zufälligerweise ein „passendes“ Geschlecht, Herkunft, Alter, „Hautfarbe“ usw. habe.“